«Ich habe noch Potenzial — im Golf»

Ein Gespräch mit Marco Chiudinelli, 36, Firmenbotschafter von Syntax Übersetzungen AG seit über 14 Jahren, über sein neues Leben nach der Tenniskarriere, sein Engagement in seinem Stammclub Old Boys Basel und seine Wunschreisen.

An den Swiss Indoors vom vergangenen Oktober hast Du in Anwesenheit von Roger Federer, Deinem Freund aus Jugendzeiten, Dein letztes Spiel auf der Profitour bestritten. Bist Du schon im neuen Leben angekommen?

MC: Ja, definitiv. Es ist mir zumindest bisher noch nie langweilig geworden, auch wenn ich seit meinem Rücktritt kaum mehr Tennis gespielt habe. Im Rahmen meiner Trainerausbildung bei Swiss Tennis musste ich bei Testlektionen etwas spielen, aber «richtiges» Tennis war das nicht, und ich vermisse es auch nicht.

Du hast im März dieses Jahres das Turnier in Indian Wells besucht, wo Federer im Final gegen Juan Martin Del Potro verloren hat. Kam bei Dir keine Wehmut auf?

MC: Nein, aber es kamen Erinnerungen hoch, keine Wehmut und auch keine Trauer, dass die Zeit als Profisportler vorbei ist. Vorbei ist vorbei. Ich erlebe jetzt alltägliche Dinge, die nichts mit Tennis zu tun hat.

Gelegentlich schaue ich mir Bilder von früher an, kürzlich etwa TV-Aufnahmen der Daviscup-Partie von 2017 gegen Weissrussland in Biel, als ich der Schweiz mit einem Sieg im entscheidenden Spiel die Weltgruppenzugehörigkeit sichern konnte. Ein unvergessliches Ereignis und einer der vielen schönen Momente, die mir das Tennis beschert haben.

Was planst Du für Deine Zukunft?

MC: Unter dem Namen «Chiudinelli Management & Consulting» habe ich eine Firma gegründet. Die Firma unterstützt Unternehmen bei der Planung und Realisierung von Projekten und Dienstleistungen in sportnahen und sportneutralen Bereichen. Es ist alles erst im Entstehen, aber ich bin breit «aufgestellt» und sehr offen.

Gibt es schon Projekte?

MC: Ich habe bereits ein paar Mandate, zum Beispiel bei einem Tennisclub und bei einer Basler Software-Firma. Zudem lanciere ich in Kürze zusammen mit einem grossen Reiseveranstalter ein einwöchiges Tenniscamp in La Manga, welches wir im Frühling 2019 durchführen wollen.

Derlei Camps bieten viele ehemalige Tenniscracks an.

MC: Ja, aber anders als bei herkömmlichen Tennislagern möchte ich individueller auf die Teilnehmenden eingehen. So sollen die maximal 16 Teilnehmenden von drei etablierten ATP-Coaches und mir in Privatstunden und Zweiergruppen trainiert werden. Auf diese Weise können wir gezielt auf die Bedürfnisse der einzelnen eingehen und ein bestmögliches Training anbieten.

Helfen Dir im Sportbereich Deine eigenen Erfahrungen?

MC: Ja, ich bringe vor allem in praktischen Belangen ein grosses Know-how mit. Ich war während meiner Zeit als Tennisprofi Unternehmer und mein eigener Manager. Nur die Stars können sich einen eigenen Manager leisten. Ich habe meine Reisen selber organisiert, Flüge und Hotels gebucht und mit Turnierdirektoren verhandelt. Ich bin auch an einen professionellen Umgang mit den Medien gewohnt.

Du bist als Sportler viel gereist. Gibt es Länder, die Du noch sehen möchtest?

MC: In Afrika ginge ich gerne auf eine Safari. Auch die Malediven kenne ich noch nicht; sich dort zu erholen, wäre schön. Doch in den nächsten Monaten werde ich hier in der Schweiz viel zu tun haben und nicht viel reisen. Vielleicht finde ich gegen Ende Jahr Zeit, Ferien zu machen.

Wie willst Du Dir die theoretischen Kenntnisse für Deine zukünftige Berufstätigkeit aneignen?

MC: An der Universität St. Gallen habe ich letzten April eine Ausbildung in Sportmanagement begonnen. Ich will die Basics erlernen und herausfinden, ob das der richtige Weg für mich ist. Ausserdem werde ich ein sechsmonatiges Praktikum bei einer Berner Marketing- und Kommunikationsagentur absolvieren.

Engagiert bist Du auch in Deinem und Roger Federers Stammverein, dem Tennis Club Old Boys in Basel.

MC: Ja, der OB plant den Bau einer Tennishalle. Ich bin in diesem Projekt involviert, und zwar als Mitglied der Baukommission, bei der Mittelbeschaffung, bei der Kommunikation mit den Medien und neu auch noch als Vorstandsmitglied. So kann ich dem Club, der mir als Junior ein sportliches Zuhause geboten hat, etwas zurückgeben.

Manche Tennisspieler wenden sich nach ihrer Tenniszeit kleineren Bällen zu, dem Golf. Gilt das auch für Dich?

MC: Ich spiele ein bisschen Golf. Vielleicht wird es ein Challenge für die Zukunft. Ich habe zwar schon die Platzreife geschafft, bin aber noch ein Anfänger. Ich habe also noch Potenzial (lacht).